Es gibt Bücher, die geschrieben werden müssen, auch wenn ihre Niederschrift dem Autor Qualen bereitet, weil die Erinnerung schmerzt. Der Lebensbericht von Dieter Rieke zählt zu diesen Büchern. Der Schreiber hat darin seine Erfahrungen und Erlebnisse in der Sowjetischen Besatzungszone und der frühen DDR zu Papier gebracht. Geboren 1925, Journalist von Beruf, trat Dieter Rieke 1945 der SPD bei und erlebte 1946 die Verschmelzung seiner Partei mit der KPD zur SED. Wegen Verbindung zum Ostbüro der SPD wurde er von der sowjetischen Geheimpolizei am 4. Mai 1948 in Gardelegen festgenommen. Ein Leidensweg begann, der ihn durch die Untersuchungsgefängnisse des MWD/MGB in Halle, Berlin-Hohenschönhausen und Potsdam führte, bis er zusammen mit fünf sozialdemokratischen Genossen von dem sowjetischen Militärtrubinal in Berlin-Lichtenberg am 14. April 1949 zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde - ein Schicksal, das mehrere Tausend mittel- und ostdeutscher Sozialdemokraten teilten. Aus der Strafhaft in Bautzen wurde Dieter Rieke am 21. Dezember 1956 entlassen. Was war selbstverständlicher, als sich ein neues Leben aufzubauen - in seinem Beruf, in seiner alten Partei? Nach dem Zusammenbruch der SED-Diktatur mußte er bei Einsicht in seine Akten erfahren, daß auch nach seiner Rückkehr in die Freiheit seine "operative Bearbeitung" - und insoweit seine politische Verfolgung - durch Spitzel der Staatssicherheit in Westdeutschland fortgedauert hat. Bis 1989. Dieter Rieke schildert das alles in dem vorliegenden Lebensbericht - anschaulich und wahrheitsgetreu, authentisch und historisch aussagekräftig. Sein individueller Lebensbericht wird so zu einem generell gültigen Zeitzeugenbericht - zu einem Buch eben, das geschrieben werden mußte. Ohne das Wissen um die Vergangenheit bleiben Gegenwart und Zukunft unbegreiflich.
Karl Wilhelm Fricke
Geliebtes Leben
Erlebtes und Ertagenes zwischen den Mahlsteinen jüngster deutscher Geschichte
1999, 310 S. geb.
38,-DM, 277,-Ös, 35,50 SFr
ISBN 3-8305-0052-1